Neue Arbeitswelten – So gestalten wir das Post-Pandemie-Büro

Neue Arbeitswelten – So gestalten wir das Post-Pandemie-Büro

Ich betreibe eine Agentur für Digitalmarketing mit rund 50 Mitarbeitern. Seit mehreren Wochen arbeiten bei uns alle strikt von zu Hause aus. Wir ziehen nun, im März 2021, an unserem Hauptstandort in München in neue, sogar größeres Geschäftsräumlichkeiten. Dennoch wird es bei uns, wenn die Rückkehr ins Büro ansteht, nicht wie gewohnt weitergehen. Es warten nicht einmal für alle Mitarbeiter Arbeitsplätze vor Ort, dafür bieten wir aber echte berufliche Mehrwerte vor Ort. Wie ein Unternehmen, die Evernine Group, die neue Arbeitswelt nach dem „Post-Pandemie-Wiederauftauchen“ angeht, lesen Sie hier.

„Dieses Projekt ist gescheitert, das machen wir nicht mehr“. So lautet ein typischer Satz, der in deutschen mittelständischen Unternehmen in dieser Wortwahl sicherlich tausende Male von Entscheidungsträgern pro Tage zu hören ist. Er beschreibt die deutsche Betrachtungsweise von Fortschritt sehr treffend. Man denke an die Corona-App, die sicherlich von vielen als gescheitertes Projekt betrachtet wird. Abgehakt & abgestempelt, die App war nicht gut und wurde eben nicht angenommen. Fertig. Auch die Macher & Propagierer haben sie dann so behandelt – von keinem entscheidenden Update war zu lesen, von keinem erneuten Schritt, sie durch Anpassungen doch noch zum Erfolgsprojekt werden zu lassen.

Und genauso bewerten deutsche Managerinnen und Manager offensichtlich den Versuch, Ihre Belegschaft im Homeoffice Arbeit zu lassen: Als gescheitertes Projekt. Zu diesem Schluss kann man zumindest kommen, wenn man dieses Umfrageergebnis des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 1.200 Unternehmen liest, welches das Manager Magazin nun vorgestellt hat. „Demnach haben zwei Drittel nicht vor, ihren Beschäftigten nach der Coronakrise mehr Homeoffice als vor der Krise zu ermöglichen. Das Gros der Mitarbeiter solle wieder in die Büros zurückkehren“, schreibt das Blatt.

Foto: Evernine

Foto: Evernine

Einfache Botschaft: Das Projekt Homeoffice ist gescheitert, da ist es wieder das Wort. Die typischen Gründe, warum das so gesehen wird, kennt man, z.b. den teils gefühlten, teils echten Kontrollverlust, die Gründe sind zahlreich, aber aus meiner Sicht für die Diskussion Homeoffice – ja oder nein – gar nicht relevant. Denn es wäre meines Erachtens im übrigen auch nicht zielführend, sich diese Gründe anzuschauen – in Wahrheit haben die Managerinnen und Manager ein anderes Problem: Sie betrachten Homeoffice als ein Projekt. Und in diesem Falle eben als ein gescheitertes.

Aufgaben, Umstellungen oder Digitale Services – wie etwa Apps – als „wasserfallartige“ Projekte zu sehen, als etwas, das eine zuvor geplante Struktur X durchläuft und erst hinterher bewertet werden kann, wird Herausforderungen im Digitalen Umfeldnicht mehr gerecht. Apps können Updates bekommen (in den USA etwa gehen häufig Apps in Beta-Versionen an den Start, um dann nach Einsammeln von Feedback auf „Alpha“ getrimmt zu werden), unglückliche Prozesse können angepasst werden, Menschen geschult werden. Und ich sage Ihnen aus meiner Erfahrung: Ja auch deutsche Mittelständler können sich ändern. Genauso eben wie Prozesse.

 

Alle im Office – die Zeiten sind vorbei

Und so gibt es auch eine Antwort für moderne Arbeitswelten – auch in deutschen Unternehmen. Und die lautet nicht: „alle im Office“, genauso lautet sie auch nicht „alle daheim“. Sie lautet: Wir werden über Anpassungen unseren Weg finden, ein gutes Mittelmaß zu erschaffen. Ein Mittelmaß, dass einerseits dem wachsenden Wunsch nach Entfaltung der Mitarbeiter gerecht wird, was Arbeitsort oder Work-Life-Balance betrifft, wie bspw. Sport oder private Termine auch tagsüber wahrnehmen zu können, und andererseits dem berechtigten Wunsch nach Kontrolle und Führung vor Ort – aber auch den unbedingt persönlichen Austausch von Kollegen – entspricht. Eine Blaupause hierfür gibt es nicht – aber durchaus Modelle, auf denen sich auch in konservativ gestalteten Unternehmen ansetzen lässt.

Foto: Evernine

Ich berichte Ihnen, wie wir mit meinem Unternehmen Evernine Group das Projekt angehen, nachdem wir nun in größere Räumlichkeiten umziehen, aber noch nicht wissen, ab wann wir diese tatsächlich nutzen können. Das Tolle ist: Wir konnten die Räumlichkeiten zusammen mit einer Architektin selbst gestalten. Zum Hintergrund: Insgesamt beschäftige ich rund 50 Mitarbeiter, hier sind auch „Feste Freie“ und Mitarbeiter zweier Töchterunternehmen dabei. Mein Unternehmen liefert Kommunikationsberatung & FullService-Agentur-Leistungen, speziell im digitalen Umfeld. Aber auch wir, trotz aller digitalen Denke, müssen und wollen ein physisches Büro nutzen. Vieles entsteht erst im persönlichen Austausch, im in- und externen Dialog. Zumal wir unseren Kunden im sogenannten OneVoice-Modell Beratung & Umsetzung aus einer Hand versprechen, ein Credo, dass wir nur durch regen Austausch und Fortbildung und Unterstützung unserer Head-Ofs, welche die wichtigsten Themen verantworten und vorantreiben, erreichen.

Wie gehen wir das Thema also an? Wir haben unser hier existierender, meist amerikanischer New Work Konzepte bedient, und passen diese für uns an. Und dieses lautet: Grundsätzlich spricht nichts dagegen, von zu Hause zu arbeiten, aber es gibt einige Regeln.

  1. Hygiene geht im Büro vor. Präsenz wird nur im jeweils angemessenen Rahmen bspw. durch Vorgaben von Politik und Gesundheitsämter eingefordert und zugelassen.
  2. Wenn Mitarbeiter ins Büro gehen, müssen dort Mehrwerte auf sie warten, die sie zu Hause nicht haben.
  3. Es gibt ein Mindestmaß an Präsenzzeiten, beispielsweise 2 Mal pro Woche oder Monat. Die gewünschte Häufigkeit kann sich anhand der Arbeitsaufgaben (vermehrt beteiligt an Teamprojekten?) richten.
  4. Individuelle Regelungen sind möglich, für diejenigen, die weit entfernt wohnen oder für diejenigen, die auf ein Büro angewiesen sind, etwa weil ihnen zu Hause der Platz oder die Ruhe fehlt.
  5. Im Büro warten verschiedene Arbeitsebenen, etwa Räume für Ruhe, Räume für kurze MeetUps unter 2-4 Leuten und reservierbare Schreibtische (inkl. verschiedenen phsyischen Arbeitshöhen) sowie Konfi-Räume,  aber auch ausreichend Angebot für sozialen Austausch, Unterhaltung & sogar Sport. Manche Räume lassen sich bei Bedarf sogar in Größe verstellen, wenn dies vorab gewünscht ist. Für wichtige Aufgaben gibt es Buchungsmöglichkeiten und Belegungspläne.
  6. Mitarbeiter sind angehalten, eher Wochenplanungen zu machen, als sich auf Tagesplanungen ihrer Arbeit zu beschränken. Ja, das sage ich, obwohl Spontaneität bei uns Tagesgeschäft ist! Es muss natürlich Spielraum zum „Atmen“ / Reagieren geben.
  7. Für alle, die jeweils daheim arbeiten – nutzt die zur Verfügung gestellte Breite an Kommunikationskanälen, um untereinander zu kommunizieren. Etwa gemeinsame Projektfolder & Dateienablage in der Kollaboration-Software (etwa Teams), nutzt die Chat-Funktion, nutzt die Videofunktion bei Calls (grundsätzlich verpflichtend!), dokumentiert Abwesenheiten im Kalender, vereinbart im Team Kanäle für Eskalationen – bei uns sind etwa alle Head-Ofs mit Diensthandys für Bürozeiten ausgestattet.
  8. Coffee-Dates, All-Hands Calls, digitales Socialising (z.b. Montagsmaler und gemeinsames Wer wird Millionär am Freitag), aber auch Kommunikationsflüsse zu allen wichtigen Infos werden von der Geschäftsleitung initiiert, und sorgen dafür, dass auch digital die Unterhaltung nicht zu kurz kommt.
  9. Und wie stellen wir sicher, dass alles an einem Strang ziehen? Ziele & Werte unseres Unternehmens, die wir in – allen zugänglichen – Richtlinien festgelegt haben. Im zweiten Zug wurden entsprechende Mentoren ernannt, die diese Werte nun ins Unternehmen tragen, jeder auf eine  eigene Weise – Die Mentoren sind auch Ansprechpartner für Weiterentwicklungen und Herausforderungen in den Teams.

Soweit zu den Regeln. Vieles davon, etwa 6) oder 7) haben wir uns bereits im vergangenen Jahr als praktikabel erarbeitet, einiges davon muss erst noch gelebt werden. Momentan wissen wir ja auch noch nicht, wann wir wieder in Räumlichkeiten starten. Wir wissen nur, es ist ein Prozess. der dank unserer Anpassungsbereitschaft nicht scheitert, sondern stets verbessert wird.